Mehr Kohlestrom: EU-Emissionshandel verhindert Rückschlag für den Klimaschutz.

Deutschland erzeugt mehr Strom aus Kohle. Dank dem CO₂-Emissionshandel der EU wird der höhere Ausstoß der Kohlekraftwerke an anderer Stelle kompensiert.

Große Rauchwolken steigen aus einem Schornstein

Runter vom Gas: Das ist derzeit ein zentrales Ziel der deutschen Energiepolitik. Auch die Stromerzeuger sind gefordert, weniger Erdgas einzusetzen: Sie verbrauchten 2021 immerhin 12 Prozent des Erdgases. Um unabhängig vom Gas zu werden, hat die Bundesregierung im Sommer die Ausbauziele für Photovoltaik- und Windenergieanlagen stark angehoben. Da sich das im Strommix allerdings erst in einigen Jahren niederschlagen wird, setzt die Ampel-Koalition als Sofortmaßnahme auch auf die Kohle: Sie erlaubt den Kraftwerksbetreibern, Anlagen aus dem Reservebetrieb vorübergehend wieder regulär für die Stromerzeugung zu nutzen. Das betrifft Kohlekraftwerke, die in den vergangenen Jahren vom Markt genommen, aber noch nicht eingemottet wurden – als sogenannte Netzreserve helfen sie, die Stromnetze zu stabilisieren.

Da Kohlemeiler wegen der hohen Gaspreise weit günstiger Strom erzeugen können als Gaskraftwerke, führt die Rückkehr der Anlagen aus der Netzreserve in den Strommarkt quasi automatisch dazu, dass weniger Erdgas verstromt wird. Dazu kommt noch ein weiterer – ebenfalls sehr willkommener – Effekt: Wegen der niedrigeren Kosten der Kohlekraftwerke sinken die Preise an der Strombörse. Das wird sich auch in den Stromrechnungen der Verbraucher niederschlagen.

Kohlestrom mit weit höheren CO₂-Emissionen

Weniger Erdgas, mehr Kohle – was für Versorgungssicherheit und Strompreise ein Gewinn ist, sieht allerdings auf den ersten Blick nach einem herben Rückschlag für den Klimaschutz aus. Schließlich emittieren Kohlekraftwerke weit mehr CO₂ als gasbefeuerte Anlagen. Je nach Technologie und Betriebskonzept liegen die Emissionen pro erzeugte Kilowattstunde etwa um das 1,5- bis 2,5-Fache höher.

2 %

höher als im Vorjahr sind die Emissionen aus der Energieerzeugung in Deutschland in den ersten neun Monaten des Jahres 2022

Insofern werden die CO₂-Emissionen aus Kraftwerken mit dem verstärkten Einsatz von Kohle tatsächlich steigen. Das macht sich schon jetzt bemerkbar. So sind die Emissionen aus der Energieerzeugung in Deutschland in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 um 2 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, obwohl der Energieverbrauch im gleichen Zeitraum um fast 3 Prozent gesunken ist.

CO₂-Emissionshandel der EU deckelt den Ausstoß.

Aber: Für die Gesamtemissionen hat der verstärkte Einsatz von Kohlekraftwerken keine Folgen. Denn wer Strom aus fossilen Brennstoffen erzeugt, ist verpflichtet, am EU-Emissionshandel (EU ETS) im Rahmen des Maßnahmenpakets Fit for 55 teilzunehmen. Die Kraftwerksbetreiber müssen also für jede Tonne Kohlendioxid, die sie ausstoßen, ein CO₂-Zertifikat vorweisen, das dann entwertet wird.

Emittieren die Kraftwerksbetreiber nun mehr CO₂, weil sie mehr Kohlestrom produzieren, benötigen sie auch mehr Zertifikate. Diese müssen sie anderen Emittenten abkaufen. Das sind meist Industriebetriebe, die ebenfalls zur Teilnahme am EU ETS verpflichtet sind. Wenn die Unternehmen in Klimaschutzmaßnahmen investieren und so ihre Emissionen reduzieren, können sie die nun nicht mehr benötigten CO₂-Zertifikate an die Stromerzeuger verkaufen.

Der Clou dabei: Die EU hat die Gesamtzahl der ausgegebenen Zertifikate gedeckelt. Das bedeutet, dass Stromerzeuger und Industriebetriebe zusammen nicht mehr CO₂ ausstoßen dürfen, als die EU über das Instrument des Emissionshandels vorgegeben hat. Jeder zusätzlichen Tonne Kohlendioxid aus einem Kohlekraftwerk steht also eine eingesparte Tonne andernorts, etwa in einem Stahlwerk, gegenüber – ein Nullsummenspiel.

Mehr über die Funktionsweise des CO₂-Emissionshandels der EU erfahren Sie in unserem ETS-Themenspecial.