LBBW Standpunkt: Die globale Wirtschaft ist verwundbar wie nie und eine dauerhafte Stabilisierung ist vorerst nicht in Sicht. Gibt es einen Weg, Herr Lochner, wie Unternehmen mit nicht planbaren Ereignissen umgehen können?
Karl Manfred Lochner: Ja, das Stichwort lautet Anpassungsfähigkeit. In der Not steckt nämlich auch eine Tugend, das hat die Pandemie gezeigt. Unternehmen, die sich frühzeitig angepasst haben, waren weniger stark betroffen. Um ein Beispiel zu nennen: Einige stationäre Einzelhändler haben während der Pandemie ihre Geschäfte auf den digitalen Versand umgestellt. Das hat sich ausgezahlt – der Online- und Versandhandel hat einen nie dagewesenen Boom erlebt.
LBBW Standpunkt: Nun ist es nicht für jedes Unternehmen und auch nicht für jede Branche gleichermaßen möglich, so vergleichsweise unbeschadet aus einer Krise zu kommen. Zudem werden die Herausforderungen komplexer, wie der russische Überfall auf die Ukraine gezeigt hat. Welche Risiken sehen Sie?
Lochner: Wir haben deutlich gesehen, welche geopolitischen Risiken Deutschland eingeht, wenn es sich wirtschaftlich von einem Land abhängig macht. Dass dies aber aus heutiger Sicht gut gemeistert wurde, stellt eine wichtige Leistung von Unternehmen und Politik dar. Deutschland läuft jetzt Gefahr, sich zu tief in eine Abhängigkeit von China zu begeben, die Volksrepublik war im vergangenen Jahr unser größter Handelspartner. Bei zu starker Abhängigkeit bergen Handelskonflikte wie der zwischen China und den USA auch Risiken für Deutschland: Wenn die beiden Supermächte ihre Handelsbeziehungen stark beschneiden, würde dies Prognosen zufolge das chinesische Wirtschaftswachstum ausbremsen mit den entsprechenden negativen Folgen für deutsche Unternehmen.
LBBW Standpunkt: Wie können sich hiesige Unternehmen gegen externe Risiken wappnen?
Lochner: Damit ein Geschäftsmodell zukunftsfähig ist, muss es auch nachhaltig sein. Unternehmen sollten deshalb auf jeden Fall die Klimaziele mitdenken. Außerdem ist es erforderlich, dass Unternehmen Krisen antizipieren. Eine innovationsfreundliche Firmenkultur fördert Anpassungsprozesse und eine komfortable Eigenkapitalausstattung stärkt zudem die unternehmerische Robustheit und damit die Resilienz.

Indien ist strategisch interessant, weil das Land in vielen Wirtschaftsbereichen in Konkurrenz zu China steht.
LBBW Standpunkt: Wie lösen sich Unternehmen von solchen Abhängigkeiten?
Lochner: Wichtig ist Diversifizierung. Insbesondere von Importen aus China sollten sich deutsche Unternehmen weniger abhängig machen und zum Beispiel bei der Einfuhr von seltenen Erden auch andere Anbieterländer in Betracht ziehen. Dennoch wird Asien auch in den kommenden Jahren eine bedeutende Wachstumsregion sein. Deutsche Unternehmen sollten das Geschäft in strategischen Partnerländern suchen und so ihr Asiengeschäft gegen Auswirkungen eines möglichen Handelskonflikts absichern.
LBBW Standpunkt: Welche Länder sehen Sie als Alternative?
Lochner: Ein zunehmend wichtiger Handelspartner in der Region ist Indien. Das Land hat seit den 2000er-Jahren ein rasantes Wachstum erreicht und im Jahr 2022 erstmals die BIP-Marke von drei Billionen US-Dollar geknackt. Indien ist auch deshalb strategisch interessant, weil das Land in vielen Wirtschaftsbereichen in Konkurrenz zu China steht. Im Jahr 2019 ist die indische Regierung aus den RCEP-Verhandlungen ausgestiegen. Zu groß war in Neu-Delhi die Sorge vor einer Übermacht Chinas im neuen Handelsbündnis. Im Zuge einer neuen Wirtschaftspolitik und angeheizt durch außenpolitische Spannungen, möchte Indien seine wirtschaftlichen Beziehungen mit China deutlich entflechten.
LBBW Standpunkt: Welche Rolle spielt das im Januar 2022 in Kraft getretene Freihandelsabkommen RCEP?
Lochner: Es ist das größte Freihandelsabkommen der Welt und umfasst neben den zehn ASEAN-Staaten auch Australien, China, Japan, Neuseeland und Südkorea. Die 15 Mitgliedsländer vereinen fast 30 Prozent der Weltwirtschaftsleistung auf sich. Sie wollen in den kommenden 20 Jahren etwa 90 Prozent aller Zölle in den Handelsbeziehungen zwischen den beteiligten Ländern abbauen. Damit entsteht dort ein bedeutender und schlagkräftiger Wirtschaftsraum.
Wir beraten unsere Unternehmen mit unserer breiten und internationalen Expertise und einem weltumspannenden Auslandsnetzwerk von 17 Standorten in 16 Ländern.

Analytisch, kompetent und auf den Punkt
Gefällt Ihnen dieser Beitrag? Wenn ja, mit LBBW Standpunkt, dem übersichtlich aufbereiteten Newsletter für alle Unternehmer und Finanzentscheider, liefern wir Ihnen regelmäßig weitere wertvolle Analysen und Informationen rund um Wirtschaft, Politik und Finanzen – direkt in Ihr E-Mail-Postfach. Abonnieren Sie den Newsletter jetzt kostenlos.
Standpunkt empfangenLBBW Standpunkt: Welche Chancen ergeben sich dadurch für deutsche Unternehmen?
Lochner: Deutsche Unternehmen können von den Handelserleichterungen profitieren, indem sie Standorte in den RCEP-Mitgliedsstaaten aufbauen. Von dort exportieren sie dann nach China. Exportierende Unternehmen sollten ihre Geschäfte dabei zudem so gut es geht absichern. Hierfür spielen auch die Exportkreditgarantien des Bundes eine wichtige Rolle.
LBBW Standpunkt: Und wie unterstützt die LBBW ihre Kundinnen und Kunden international?
Lochner: Die LBBW als Finanzierungspartner, der regional vernetzt und erfahren in der Absicherung von Exportgeschäften ist, kann deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb stärken. Wir begleiten unsere exportorientierten Unternehmenskunden mit einem weltumspannenden Auslandsnetzwerk von 17 Standorten in 16 Ländern. Unsere Corporate Desks in New York, Mexiko-Stadt, Singapur, Shanghai und Seoul bieten unseren Kunden das gesamte Bankspektrum an Finanzierungen, Akkreditiven oder Preissicherungsinstrumenten an. Für unsere Expertise wurden wir im Jahr 2022 vom Londoner Fachinformationsdienst Trade & Export Finance (TXF) als die weltweit führende Bank für Exportfinanzierungen ausgezeichnet. Denn was entscheidend ist: Egal wo eine Kundin oder ein Kunde etwas bewegen möchte, wir schaffen es, ganz schnell das passende Team für dieses Unternehmen zusammenzustellen.
Haben Sie Fragen? Kontaktieren Sie uns!
Die Seite wurde zuletzt aktualisiert am 25.04.2023