Glasfaser-Netzausbau in Deutschland nimmt Fahrt auf

Moderne Technologien brauchen High-Speed-Internet, deshalb ist Glasfaser alternativlos. In Deutschland hat endlich die Aufholjagd um die besten Netze begonnen.

Glasfasern in Makroaufnahme

Deutschland holt auf in Sachen schnelles Internet, denn ein intensiver Wettbewerb heizt das Wachstum an. Mehr als 35 Millionen gigabitfähige Breitbandanschlüsse sind mittlerweile gelegt, schätzt Bettina Deuscher, Telekom-Analystin der LBBW. Für die Aufholjagd gibt es verschiedene Gründe. Noch wichtiger als neue Fördermittel für unterversorgte Gebiete ist die Modernisierung des Telekommunikationsgesetzes: Sichere Rahmenbedingungen sind die Grundlage für langfristige Infrastrukturinvestitionen. Deshalb springt das Interesse der Investoren wieder an, der Wettbewerb mit Glasfaserprojekten ist so ausgeprägt wie nie zuvor. Und katapultiert Deutschland damit technologisch endlich ins 21. Jahrhundert.

Daten müssen heute in Echtzeit ausgetauscht werden. Sonst wird das nichts mit der Industrie 4.0, sonst wird das nichts mit dem autonomen Fahren, sonst wird das nichts mit einer ganzen Reihe anderer Zukunftsversprechen. Die Recheneinheit lautet 1 Gigabit pro Sekunde und mehr: Erst dann sind moderne Anforderungen wie künstliche Intelligenz, ultraschnelle Internet-of-Things Anbindungen von Geräten, Maschinen und Anlagen an die Übertragungsnetze wie beim autonomen Fahren möglich. Diese innovativen Technologien brauchen ein flächendeckendes Glasfasernetz. Genau daran hapert es bislang.

Warum Deutschland am Kupfer hing

Aktuell ist Deutschland ein Flickenteppich, was Internetanschlüsse angeht. Die meisten Haushalte und Unternehmen sind über Telefonleitungen, also Kupferkabel, oder Fernsehkabel angeschlossen. Bei beiden sind die Übertragungsraten begrenzt, daran hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten wenig verändert. Zu schleppend ging bisher der Glasfaserausbau voran. Zwar hatten die drei Merkel-Regierungen den Ausbau des Glasfasernetzes offiziell immer ganz oben auf dem Zettel, gleichwohl nahm Glasfaser nie so richtig Fahrt auf.

Dafür gibt es einen Grund: Für die meisten der mehr als 40 Millionen Haushalte ging es bis vor einigen Jahren nicht um ultraschnelle Gigabit-Geschwindigkeiten. Downloadgeschwindigkeiten auf Basis der bisher genutzten und modernisierten Kupferkabel galten als auskömmlich. VDSL und Super-Vectoring beschleunigten die Kupferkabel auf bis zu 250 Megabit pro Sekunde. Diese Übergangslösung erklärt das hohe Aufholpotenzial von Deutschland im Vergleich zu europäischen Nachbarländern. Während in Spanien schon jetzt mehr als 87 Prozent aller Haushalte an Glasfaser angebunden sind, kommt Deutschland auf 16,4 Prozent. Zum Vergleich: Im EU-Durchschnitt sind es knapp 44 Prozent.

16.4 %

der deutschen Haushalte verfügen über einen Glasfaseranschluss.

Glasfaser ist nachhaltig

Die Zukunft findet im Netz statt – ob es um Telemedizin, Ultra-HDTV, Standortvernetzung von Unternehmen oder Cloud Computing geht. Die benötigten Datenmengen können von Kupferkabeln nicht schnell genug transportiert werden, heißt es in einer von der LBBW unterstützten Studie der Steinbeis-Hochschule. „Der zügige Datentransfer hat inzwischen eine zentrale Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft“, urteilt LBBW-Analystin Bettina Deuscher.

Der zügige Datenverkehr hat eine zentrale Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft.

Bettina Deuscher, Telekom-Analystin der LBBW

Die digitale Infrastruktur stellt neben der Verkehrs- und Energieinfrastruktur einen wichtigen Eckpfeiler für das gesellschaftliche und wirtschaftliche Zusammenleben dar. Daher ist der Anspruch auf einen schnellen Internetzugang mittlerweile gesetzlich verankert. „Im Unternehmensbereich bildet eine zukunftsfähige Telekommunikationsinfrastruktur ganz klar die Basis zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit“ sagt Analystin Deuscher, die einen weiteren Vorteil der Glasfaser hervorhebt: „Die Technologie ist nachhaltig.“ Sie sichere auch für künftige Anforderungen die maximale Übertragungsgeschwindigkeit und sei um ein Vielfaches energieeffizienter als das Kupferkabel.

80 %

der institutionellen Investoren stufen Infrastruktur 4.0 als sehr attraktiv ein

Wer macht Deutschland gigabit-fähig?

Neuen Schwung bekommt der Glasfaserausbau, weil auch institutionelle Investoren das Thema als attraktiv erkannt haben. Beispielgebend war dabei wohl die Deutsche Glasfaser mit dem schwedischen Investor EQT und den kanadischen Pensionsfonds Omers im Rücken. Investitionssumme: rund 7 Milliarden Euro in den kommenden Jahren. Ebenfalls auf den Markt drängen Spaniens Telefónica – mit 5 Milliarden Euro die Allianz als Geldgeber im Schlepptau – und die Deutsche Giganetz (Investor: Capital Partners). Institutionelle Investoren bescheinigen der sogenannten Infrastruktur 4.0 als Anlageklasse viel Potenzial. Insgesamt 80 Prozent stufen die Möglichkeiten von Infrastruktur 4.0 als (sehr) attraktiv ein. Damit liegt die Assetklasse deutlich vor anderen alternativen Anlageformen wie Private Debt (51 %), Private Equity (45 %) oder Verkehrsinfrastruktur (39 %).

Die Folge: Laut Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) sind Angebot und Nachfrage bei Glasfaseranschlüssen im Jahr 2021 so stark gewachsen wie noch nie zuvor. Inklusive der Kabelanschlüsse stieg die Anzahl der Breitbandanschlüsse um etwa 3,3 Millionen auf mehr als 31,4 Millionen gigabitfähige Anschlüsse in Deutschland. Wohlgemerkt: „fähig“ heißt noch nicht angeschlossen und damit bereit für die Zukunft.

Größter Eigentümer von verlegten Glasfaserkabeln ist mit knapp 650.000 Kilometern die Deutsche Telekom. Anders sieht es bei Vodafone aus. Das Unternehmen geht mit dem größten Kabelnetz Deutschlands (Erwerb von KabelDeutschland und Unitymedia) mit einem hybriden Netz aus Koaxialkabel und Glasfaser ins Rennen. Mit aktuell mehr als 23,6 Millionen Anschlüssen, die schon heute 1 GBit/s (Gigabit pro Sekunde) Höchstgeschwindigkeit ermöglichen, hat der Konzern bereits ein weitläufiges Glasfaser-Netz. Lediglich bei den letzten Metern vom Verteilerkasten zum Kunden muss oft noch Kupfer durch Glasfaser ersetzt werden. Ein weiteres alternatives Glasfasernetz in mehr als 300 Städten unterhält 1&1 Versatel mit einer Länge von mehr als 52.000 Kilometern. Darüber hinaus haben regionale Anbieter, die sogenannten City-Carrier, eigene Glasfasernetze aufgebaut, allein NetCologne in Köln und Umgebung über 28.000 Kilometer. Bundesweit einmalig ist der geplante Glasfasernetzausbau von One Fiber entlang des Schienennetzes. Mehr als 27.000 Kilometer sollen in den Kabelschächten der Deutschen Bahn verlegt werden. Das vermeidet kostspielige Bauarbeiten und fördert zudem die Anbindung des derzeit unterversorgten ländlichen Raums.

1 Gigabit

pro Sekunde lautet die Recheneinheit für die Zukunft

Glasfaser bringt auch 5G voran

Im Markt bewirkt der intensive Wettbewerb mehr Tempo beim Glasfaserausbau. „Das deutlich angezogene Ausbautempo beschleunigt gleichzeitig auch den Ausbau des Funknetzes mit dem neuen 5G-Standard“, urteilt Bettina Deuscher. 5G ermöglicht theoretisch das Übertragen von mehreren Gigabit pro Sekunde – per Funk. Das setzt allerdings voraus, dass die Funkmasten selbst mittels Glasfaser an das Netz angebunden werden.

Gerade in ländlichen Gebieten wollen Bürgerinitiativen nicht mehr länger auf Gigabit-fähige Leitungen warten. Im schleswig-holsteinischen Husum etwa ist die BürgerBreitbandNetz GmbH & Co. KG bereits seit 2012 aktiv. Schon zwei Jahre zuvor gründete sich ein paar Kilometer entfernt die Breitbandnetz GmbH & Co. KG in Breklum für den Ausbau eines Glasfasernetzes in Nordfriesland. Ob Eichenzell im Landkreis Fulda oder Hamminkeln am Niederrhein – überall im Lande schließen sich private Haushalte zusammen.

Daten über alte Kabel im Internet zu versenden, kostet fünfmal mehr Energie als mit modernen Glasfaserkabeln.

Jens Heil, Experte für den Glasfasernetzausbau bei der LBBW

Tempowechsel beim Ausbau des Glasfasernetzes

Denn Streamen durch die veralteten Kupferkabel ist zäh. Zudem ist der Energiebedarf immens. „Daten über alte Kabel im Internet zu versenden, kostet fünfmal mehr Energie als mit modernen Glasfaserkabeln“, sagt Jens Heil, Experte für den Glasfasernetzausbau bei der LBBW. Deutschland habe demnach viel Potenzial, den CO2-Footprint pro E-Mail oder pro Stream zu senken. Vor allem wenn man bedenkt, welche Datenvolumen künftig verschickt und versendet werden. Seit Jahren müssen immer neue Maßeinheiten erfunden werden, um das globale Datenvolumen zu beziffern. Neulich waren es noch Zetta-Byte, derzeit gelten Yotta-Byte. Das sind 10 hoch 24 Byte.