Trügerische Sicherheit bei der betrieblichen Altersvorsorge

Der steigende Rechnungszins für Pensionsrückstellungen polstert die Eigenkapitalquote vieler Unternehmen. Und überdeckt das kommende Problem: mangelnde Liquidität.

Älteres Ehepaar sitzt auf Bank und blickt in die Weite

Manchmal passiert Gutes wie von selbst. Derzeit verkünden die Treasurer vieler Unternehmen, die nach IFRS oder US-GAAP bilanzieren, stolz eine höhere Eigenkapitalquote. Das ist doch gut, oder? „Es vermittelt eher eine trügerische Sicherheit“, widerspricht Norbert Pachl, Leiter der LBBW Pensionsmanagement GmbH. Zumindest wenn die höhere Eigenkapitalquote nur darauf beruht, dass der Rechnungszins für Pensionsrückstellungen wieder steigt. Pachl warnt: Was sich heute so erfreulich in den Bilanzen für 2022 widerspiegelt, kann schon bald für Liquiditätsprobleme bei den Pensionszahlungen sorgen.

Verträge zur betrieblichen Altersvorsorge (bAV) bieten mehr als 100.000 Unternehmen in Deutschland in Form einer Pensionszusage an. Um diese „zweite Rente“ an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszahlen zu können, müssen die Unternehmen ausreichend Rückstellungen bilden. Wie hoch die Pensionsrückstellungen ausfallen müssen, wird – gesetzlich festgelegt – über einen Rechnungszins bestimmt, der sich an der Marktentwicklung orientiert. In der Null-Zins-Ära hat sich dieser Rechnungszins mehr als halbiert. Unternehmen mussten also mehr Kapital zurückstellen, um die bescheidenen Zinserwartungen auszugleichen. 2022 änderte sich der Trend: Der Rechnungszins stieg im Laufe des Jahres von 1,31 auf 4,21 Punkte (Zahlen nach Mercer). Dies bedeutet in der Regel rund 40 Prozent geringere Pensionsrückstellungen aufgrund des höheren Diskontierungssatzes.

4.21 Punkte

betrug der Rechnungszins für Pensionsrückstellungen Ende 2022. Ein Jahr zuvor lag er bei 1,31 Punkten.

Das Problem von morgen: mangelnde Liquidität

„So erfreulich diese Momentaufnahme wirken mag: Es ist bereits absehbar, dass es schwieriger wird mit den Liquiditätsanforderungen aus den Pensionsansprüchen“, sagt Pensionsmanagement-Experte Norbert Pachl. Derzeit haben rund 21 Millionen Menschen einen Anspruch auf bAV-Zahlungen, sobald sie in Rente gehen – und genau das machen die Babyboomer derzeit. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes werden 12,9 Millionen Erwerbstätige bis 2036 das Renteneintrittsalter überschritten haben. Darauf müssen die Pensionswerke vorbereitet sein und die entsprechende Liquidität vorhalten.

12.9 Millionen

Menschen werden laut Destatis bis 2036 das Renteneintrittsalter überschritten haben – eine Belastung für die Pensionswerke.

Es ist bereits jetzt absehbar, dass es schwieriger wird mit den Liquiditätsanforderungen aus den Pensionsansprüchen.

Norbert Pachl, Leiter der LBBW Pensionsmanagement GmbH

Es gibt ein zusätzliches Problem: Viele bAV-Zusagen sind abhängig vom Gehalt der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und das steigt – aufgrund der deutlich anziehenden Inflation – in den kommenden Jahren weitaus stärker als erwartet. Zusätzlich werden die Renten oft gemäß der Inflation angepasst, auch dies lässt die Liquiditätsanforderungen steigen. „Wenn die Mitarbeiter demnächst 10 bis 15 Prozent höhere Rentenzusagen erhalten, kommen damit auch signifikant höhere Liquiditätsbelastungen auf die Treasurer zu“, sagt Pachl.

Um nicht von solch unerwünschten Entwicklungen überrascht zu werden, empfiehlt Pachl den Treasurern in den Unternehmen, jetzt die Struktur der aktuell genutzten Pensionswerke zu analysieren und zu hinterfragen. Was kann ich tun, um künftige Belastungen schon heute besser abzupuffern? Wie kann ich bei Preis- und/oder Rentenanpassungen den Hebel ansetzen? Ist vielleicht der Wechsel auf eine andere Form des Pensionswerks ein notwendiger Schritt? „Das ist echte Kärrnerarbeit“, sagt Pachl, sei aber gleichwohl unverzichtbar.

Die unterschätzte betriebliche Altersvorsorge

Norbert Pachl hält die betriebliche Altersvorsorge für ein unverzichtbares, gleichwohl häufig unterschätztes Standbein für die Altersversorgung. Obwohl Aufbau und Wirkungsweise ausgesprochen komplex sind, lassen sich mehr als 100.000 Unternehmen darauf ein. „Arbeitgeber, die eine betriebliche Altersvorsorge anbieten, wollen ihre Mitarbeiter langfristig nachhaltig gut versorgt wissen“, sagt Pachl. „Das ist eine Form der Wertschätzung, die sie den Arbeitnehmern auch entsprechend vermittelt sollten.“

Warum die betriebliche Altersvorsorge für viele arbeitende Menschen unverzichtbar ist, rechnet Norbert Pachl gern vor. Wer heute in Rente geht, hat Anspruch auf 30 bis 60 Prozent seines letzten Nettolohns. Das bedeutet in vielen Fällen ein Absinken des Lebensstandards auf Hartz-IV-Niveau. Wer schlau ist, hat diese sogenannte Rentenlücke durch eine private Altersvorsorge gestopft. Wer noch schlauer ist, kann sich zusätzlich auf monatliche bAV-Zuschüsse freuen. „Ganz ehrlich“, sagt Experte Pachl: „Bevor ich darauf hoffe, dass jemand bei der privaten Altersvorsorge alles richtig gemacht hat, bin ich mir lieber sicher, dass dieser Mensch durch die betriebliche Altersvorsorge jeden Monat verlässlich eine zusätzliche Rente bekommt.“

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Norbert Pachl, Geschäftsführer der LBBW Pensionsmanagement GmbH

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Geschäftsführer LBBW Pensionsmanagement GmbH